LERNE AMERIKAS KLEINSTE UND SELTENSTE SCHILDKRÖTE KENNEN
Die Flache Moschusschildkröte (Sternotherus depressus) ist die kleinste und seltenste Schildkrötenart der Vereinigten Staaten. Ausgewachsene Tiere werden kaum größer als 10 cm, frisch geschlüpfte Jungtiere sind nicht größer als eine Münze. Wie ihr Name vermuten lässt, besitzen sie außergewöhnlich flache Panzer – eine Anpassung, die es ihnen ermöglicht, sich in enge Spalten am Grund von Bachläufen zu zwängen und sich so vor Fressfeinden zu verstecken. Auch wenn sie aussehen, als wären sie plattgetreten worden, ist diese Körperform ein raffinierter Überlebensvorteil. Ihr gepunktetes Muster tarnt sie perfekt auf dem sandigen Bachgrund.
Die Art ist laut IUCN vom Aussterben bedroht. Hauptursachen sind Lebensraumzerstörung, Klimawandel und illegale Wilderei.
EIN LEBENSRAUM IN DER KRISE
Die Flache Moschusschildkröte ist hochspezialisiert auf das Leben in klaren, schnell fließenden Bächen – und auf ihre bevorzugte Nahrung: Wasserschnecken. Doch genau diese Schnecken reagieren sehr empfindlich auf Wasserverschmutzung und sind aufgrund von Abwässern aus Kohlebergwerken aus vielen Regionen verschwunden. Die Folge: Der Bestand an Schildkröten wie auch an Schnecken ist dramatisch eingebrochen. Heute kommt die Art nur noch im Einzugsgebiet des Black Warrior River im Norden Alabamas vor. Früher bewohnte sie das gesamte Black-Warrior-Becken – ein Gebiet von fast 18.000 km² in Alabama und Mississippi. Ihr heutiges Verbreitungsgebiet ist nur noch ein winziger Bruchteil davon. Die letzten Tiere überleben in isolierten, klaren Bächen mit felsigem Untergrund – dank ihres flachen Panzers können sie sich dort zwischen den Steinen verstecken, was zu ihren wenigen verbliebenen Schutzstrategien zählt.
Mehr als 93 % ihres ursprünglichen Lebensraums wurden zerstört. Sedimente und Kohlenstaub aus dem Bergbau haben Bachbette verschlammt und die wirbellosen Tiere, von denen sich die Schildkröten ernähren, ausgelöscht. Hinzu kommen Verschmutzung durch Abwässer, Klimawandel und schlechte Landnutzung, die das Wasser weiterhin belasten.
Da sie hoch spezialisiert auf schnell fließende Bäche sind, schwimmen die Schildkröten kaum im klassischen Sinn – sie würden sonst weggespült werden. Stattdessen krabbeln sie mit ihren kurzen Beinen flink über den Bachgrund, klettern über Steine und hängen sich sogar kopfüber an deren Unterseite – wie kleine, aquatische Kletterkünstler. Werden sie von einem Feind überrascht, pressen sie sich regungslos an den Grund und tarnen sich perfekt – eine erstaunliche Überlebensstrategie.
Obwohl die Art unter (bundes)staatlichem Schutz steht, sind aktive Schutzmaßnahmen bisher minimal. Abgesehen von Turtle Island gibt es weltweit nur eine Handvoll Tiere in menschlicher Obhut – zu wenige, um stabile Zuchtgruppen aufzubauen. Die Wildpopulation ist kritisch bedroht und schrumpft weiter. Ohne dringende, langfristige Maßnahmen – und ohne die genetisch vielfältige Zuchtgruppe bei Turtle Island – ist das Aussterben dieser Art nahezu unausweichlich.
TURTLE ISLAND: RETTUNGSANKER FÜR EINE BEDROHTE ART
Turtle Island ist derzeit das einzige Schildkröten-Schutzprojekt weltweit mit einer ausreichend großen Erhaltungszuchtgruppe, um eine spätere Wiederansiedlung der Flachen Moschusschildkröte zu ermöglichen.
Die Ursprünge dieser Gruppe reichen bis in die 1970er-Jahre zurück, als Reiner Praschag – Vater des Turtle Island Gründers Peter Praschag – gemeinsam mit den renommierten Schildkrötenforschern Robert „Bob“ H. Mount und James „Jim“ Logie Dobie diese Tiere einsammelte. Die Schildkröten stammten aus zwei verschiedenen Flusssystemen, dem Sipsey Fork und dem Locust Fork, und werden seither getrennt gezüchtet, um die genetische Vielfalt zu erhalten.
Schon damals erkannten die Forscher die Bedrohung durch Lebensraumverlust, Umweltverschmutzung und Fragmentierung. In weiser Voraussicht trafen sie gemeinsam die Entscheidung, zwei kleine Zuchtgruppen in Österreich aufzubauen – als Sicherheitsnetz für die Zukunft dieser Art.
Die Zucht dieser Schildkröten ist anspruchsvoll, aber wir sind entschlossen, alles zu tun, um ihr Aussterben zu verhindern. Derzeit planen wir den Bau einer neuen, maßgeschneiderten Anlage mit 40 Becken und modernster Filtertechnik. So können wir optimale Bedingungen schaffen, um die Art erfolgreich zu pflegen und gezielt zu vermehren. Die Anlage wird entlang eines Holzstegs über dem Gehege unserer Schnappschildkröte „Greg“ errichtet.
Das Überleben der Art hängt davon ab, ob es gelingt, stabile Zuchtpopulationen zu erhalten und sie langfristig in geschützte Lebensräume zurückzuführen.
EIN BLICK IN DIE ZUKUNFT
Nur durch die Unterstützung durch Spendengelder kann es Turtle Island gelingen, gezüchtete Flache Moschusschildkröten in geschützten Gebieten ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets wieder ansiedeln. Dieses Projekt ist ein entscheidender Schritt zur Rettung einer einzigartigen Tierart – und ein starkes Beispiel dafür, was engagierter Artenschutz bewirken kann.
Jeder kann Teil dieser Mission sein. Durch Spenden werden die spezielle Pflege, artgerechte Haltung und Versorgung dieser seltenen Schildkröten ermöglicht. Nur so kann die hochmoderne Zuchtanlage gebaut und betrieben werden – als Grundlage für eine erfolgreiche Rückkehr dieser Art in die Natur.
Gemeinsam geben wir Amerikas kleinster und seltenster Schildkröte eine Überlebenschance.