Eiselts Europäische Sumpfschildkröte | TÜRKEI

Eiselts Europäische Sumpfschildkröte | TÜRKEI

DAS LAND

Türkei

ÜBER DAS TIER

Art: Eiselts Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis eiselti)

DIE GESCHICHTE EINER UNTERART

Im Zuge von Reisen in den Jahren 1966 und 1972 entdeckte Josef Eiselt, damaliger Kustos am Naturhistorischen Museum Wien, nahe der syrischen Grenze vier kleine, dunkel gefärbte Europäische Sumpfschildkröten. Diese brachte er nach Wien – und auf Basis dieser vier Exemplare beschrieb Prof. Uwe Fritz 1998 eine neue Unterart: Emys orbicularis eiselti. Genetische Untersuchungen haben seither bestätigt, dass es sich dabei um die genetisch deutlichste aller Unterarten der Europäischen Sumpfschildkröte handelt.

EIN SCHWINDENDER LEBENSRAUM

Ursprünglich war Emys orbicularis eiselti wohl im gesamten Amik-Maras-Graben – östlich des Amanos-Gebirges, im heutigen Südosten der Türkei – weit verbreitet. Das Gebiet war einst von riesigen Feuchtgebieten geprägt. Doch seit beinahe 80 Jahren werden Feuchtgebiete in der Türkei durch Entwässerung für Landwirtschaft, Siedlungen, Straßenbau und Malariabekämpfung zerstört.

Der dramatischste Verlust betrifft den Amik-See: Während er im 19. Jahrhundert noch rund 35.000 Hektar umfasste, waren es 1966 nur mehr 7.000 Hektar. Über künstliche Kanäle wurde das Wasser des Sees in den Fluss Asi (Orontes) umgeleitet – mit katastrophalen Folgen für die Wasserschildkröten und andere aquatische Arten. 2007 wurde auf dem ehemaligen Seeboden sogar ein Flughafen errichtet. Heute sind nur noch der Asi-Fluss und einige seiner Seitenarme Rückzugsorte für die letzten Überlebenden.

EIN SCHATTEN IHRER SELBST: DIE SITUATION 2012

Eine Langzeitstudie unter der Leitung von Dinçer Ayaz (2021) dokumentierte die mühsame Suche nach Emys orbicularis eiselti. Trotz intensiver Erhebungen über 20 Jahre hinweg konnten weniger als 18 Individuen gefunden werden – alle in kleinen Teichen nahe der Mündung des Asi-Flusses. Der letzte bestätigte Fund stammt aus dem Sommer 2012. Die Forscher gehen davon aus, dass in freier Wildbahn weniger als 100 Tiere überlebt haben. Ihr Betreuer, Prof. Ertan Taskavak (Ege Universität, Izmir), sprach von einer „funktional ausgestorbenen“ Art – Feldforschung sei wohl Zeitverschwendung, so seine nüchterne Einschätzung.

Seit der offiziellen Beschreibung der Unterart im Jahr 1998 wurden insgesamt nicht mehr als 25 Individuen wissenschaftlich erfasst.

Die vollständige Studie findest du hier.

EIN MUTIGER ANFANG: TURTLE ISLANDS EINSATZ FÜR DIE EISELTI-SCHILDKRÖTE (SEIT 2022)

Noch 2012 wurden vier Teiche als letzte Rückzugsorte von E. o. eiselti dokumentiert. Einer davon wurde 2018 durch Wohnbauprojekte zerstört, ein weiterer ist inzwischen mit Müll gefüllt. Nur zwei benachbarte Teiche existieren noch – jedoch in akuter Gefahr durch angrenzende Baustellen.

Um das Aussterben dieser einzigartigen Unterart zu verhindern, reiste Peter Praschag, Gründer von Turtle Island, im Jahr 2022 in die Türkei, um die letzten Tiere aufzuspüren und Schutzmaßnahmen zu planen. Inzwischen sind alle erforderlichen Genehmigungen eingeholt – in enger Zusammenarbeit mit der EGE Universität in Izmir – und ein Schutz- und Zuchtprogramm auf den Weg gebracht. Zudem setzt sich Turtle Island dafür ein, die Teichumgebung dauerhaft zu sichern.

Im August 2024 kehrten Peter und sein Sohn Kiran in das Gebiet zurück, um eine Bestandserhebung durchzuführen. Die beiden verbliebenen Teiche waren zum Glück noch intakt – allerdings wurde ganz in der Nähe eine neue Zementfabrik gebaut, die das Wasserregime empfindlich stören könnte. Im Zuge ihrer Arbeit – mit schonender Fang-und-Freilassungsmethode – entdeckten Peter und Kiran 22 weitere Tiere. Diese überraschende Zahl gibt neue Hoffnung! Doch das Ausbleiben von Jungtieren weist auf eine gestörte Fortpflanzung hin – etwa durch Fressfeinde oder Umweltstress. Alle Schildkröten wurden nach Untersuchung wieder freigelassen. Turtle Island verhandelt aktuell mit den Grundstückseigentümern, um das Gelände zu kaufen und unter Schutz zu stellen.

Die beiden folgenden Videos zeigen die aktuelle Situation der Schildkrötenhabitate (Stand 2024).

ZUCHTSTATION IN ÖSTERREICH UND LOKALE ZUSAMMENARBEIT

Um ein sicheres Back-up zu schaffen, wurde eine Zuchtgruppe in der Turtle Island Erhaltungszuchtstation in Graz aufgebaut. Gleichzeitig sorgte die Rückkehr von Peter Praschag im Sommer 2024 für Aufmerksamkeit in der türkischen Öffentlichkeit. Medienberichte führten zu ersten Gesprächen mit dem Bürgermeister von Samandağ – mit erfreulichen Ergebnissen: Die Gemeinde will die letzten Rückzugsräume schützen und renaturieren. Im Erdbebengebiet von 2023 soll mit Nachhaltigkeit neu aufgebaut werden. Erste Schritte sind geplant: Müllentsorgung, Verbot neuer Deponien, mögliche Schließung der Zementfabrik und sogar die Enteignung von Grundstücken zugunsten des Artenschutzes.

Die Unterstützung aus der Bevölkerung ist groß – viele Anwohner wussten nicht, welch seltenes Juwel in ihrer Nachbarschaft lebt. Turtle Island erarbeitet derzeit ein formales Schutz- und Wiederansiedlungsprojekt für die Region.

WENDEPUNKT: FORTSCHRITTE UND HERAUSFORDERUNGEN 2025

Im Oktober 2025 verbrachten Peter, Kiran und Tierpflegerin Lisa fünf intensive Tage in der Türkei, um Wissenschaft und Politik für den Schutz der vom Aussterben bedrohten Eiselt Sumpfschildkröte voranzubringen. Im Feld stellten sie 14 Reusenfallen auf und konnten sieben Schildkröten dokumentieren, darunter zwei Wiederfänge vom Vorjahr – wertvolle Daten für die laufende Populationsforschung.

Mit einer Drohne wurde außerdem die Ausdehnung der Teiche und der umliegenden Lebensräume kartiert, um künftige Fang- und Schutzmaßnahmen gezielt planen zu können.

Das Hauptziel der Reise war jedoch ein politisches: Wir trafen das Bürgermeister-Team der Region, Peter brachte sogar eine lebende Sumpfschildkröte mit, um die Dringlichkeit des Anliegens greifbar zu machen. Mit Erfolg: Der Bürgermeister sagte seine volle Unterstützung zu. Gemeinsam mit Prof. Ertan Taşkavak von der Ege-Universität in Izmir wurde inzwischen ein Antrag auf eine bundesweite Genehmigung gestellt und der formale Schutz der letzten verbliebenen Teiche beantragt. Eine mögliche Lösung wäre die Pacht dieser Teiche – eventuell sogar kostenlos – vorbehaltlich der nationalen Genehmigung. Die lokale Regierung hat ihre Unterstützung bereits zugesagt.

Obwohl sich die Arbeit von Turtle Island primär auf Emys orbicularis eiselti konzentriert, kommt sie auch weiteren Populationen zugute: In benachbarten Teichen leben auch die Afrikanische Weichschildkröte (Trionyx triunguis) – eine der seltensten Arten des Mittelmeerraums – sowie die Balkan-Sumpfschildkröte (Mauremys rivulata). Der Schutz der Eiselti-Teiche würde also gleich drei Schildkrötenarten zugutekommen, zwei davon vom Aussterben bedroht (Critically Endangered).

Dennoch bleiben die Bedrohungen erheblich. Lebensräume werden durch landwirtschaftliche Abwässer, illegale Müllablagerungen, Wasserumleitungen und Bautätigkeiten zerstört. Nistplätze sind mit Bauschutt überdeckt, und eingeschleppte Fressfeinde wie streunende Hunde und Wildschweine haben das Überleben der Jungtiere drastisch reduziert. Diese Belastungen führen dazu, dass die verbliebenen Schildkrötenpopulationen zunehmend isoliert und gefährdet sind.

Trotzdem hat das Projekt eine starke lokale Bedeutung. In den Gesprächen über den Wiederaufbau nach dem Erdbeben zeigte der Bürgermeister von Samandağ großes Engagement für den Schutz der Eiselt Sumpfschildkröte – er erkannte, dass die Wiederherstellung der Feuchtgebiete perfekt zu den „grünen“ Erneuerungszielen der Stadt passt. Er schlug sogar vor, die Eiselt Sumpfschildkröte zum offiziellen Maskottchen der Stadt zu machen – als Symbol für ökologische Widerstandskraft. Auch wenn noch viel Arbeit bevorsteht, geben diese Entwicklungen und die positiven Ergebnisse des Oktober-Einsatzes berechtigte Hoffnung für die Zukunft dieser einzigartigen Art.

Turtle Island sucht nun Fördermittel und Spenden, um die nächsten Schritte umzusetzen: Säuberung der Lebensräume, schützende Zäune gegen Prädatoren, gesicherte Niststrände sowie eine Kooperationsvereinbarung (Memorandum of Understanding) mit den lokalen Landbesitzern, um den langfristigen Schutz der Art zu gewährleisten.

HILF MIT – GIB EISELT’S POND TURTLE EINE ZUKUNFT!

Der Einsatz für die Erhaltung dieser einzigartigen Schildkröte zeigt bereits erste Erfolge – aber der Weg ist noch lang. Deine Unterstützung hilft direkt bei Landkauf, Nachzucht, Habitat-Renaturierung und Bewusstseinsbildung vor Ort. Gemeinsam können wir das Aussterben verhindern.

Jetzt spenden und Teil dieses einzigartigen Schutzprojekts werden!

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